Mittwoch, 29. Juli 2015

Engadin Radmarathon 2015



Nach der Seeland Classic hatte ich Lust auf ein längeres Rennen und nachdem die Wiederholung der letztjährigen Salzkammertrophy aus bekannten Gründen nicht in Frage kam, viel die Wahl auf den Engadin Radmarathon. Nicht ganz so lang wie die Trophy, aber immer noch ein kleines langes Abenteuer.  


Bei wunderschönem Sommerwetter kam ich am Sonnabend um 18 Uhr in Zernez an und nach der obligatorischen Pastaparty und der Montage der Startnummer hiess es noch gemütlich die 17 km nach Scoul zum Hotel zu fahren. Ich genoss die Fahrt im faszinierenden Engadiner Licht und ging früh schlafen. Am nächsten Morgen fand ich den Weg zum Startblock nicht gleich und so stand ich wieder viel zu weit hinten.  Anfängerfehler grgrr. So war das erste Tagesziel schon gesteckt und nach dem Startschuss versuchte ich im Aufstieg zum Ofaspin die 150 Fahrer  vor mir zu  überholen. Das Vorhaben gelang, aber wie auf dem Foto zu sehen musste ich schon ein paar Körner liegen lassen.
Sollte sich das am Albula rächen?


Engadin Radmarathon/marathon-photos.com


Das Tempo blieb auch nach der ersten Bergkuppe hoch und bald war der Tunnel erreicht. Ich war froh als wir wieder Tageslicht zu sehen bekamen und erstaunlicher Weise bildete sich nach einigen hektischen Kilometern eine etwa 40 köpfige Gruppe. 

Engadin Radmarathon/marathon-photos.com


Die Rennleitung informierte uns vom Auto aus, dass wir drei Minuten Rückstand  auf drei Ausreisser hatten. Nach Livigno ging es dann schon wieder zur Sache und die Gruppe blieb mehr oder weniger kompakt. Auch nach der kurzen Abfahrt  hiess es sofort wieder am Hinterrad dranbleiben. Am Berg trennte sich die Spreu vom Weizen. Ich befand mich irgendwo dazwischen und mit Schrecken sah ich, dass alle Fahrer vor mir von Betreuern Bidons und Gels gereicht bekamen. 

Engadin Radmarathon/marathon-photos.com

Als auch an der Passhöhe keine Verpflegungsstation zu sehen war ahnte ich Böses. Und ja, die sogenannte Labestation befand sich etwa 300 m nach der Kuppe mitten in der beginnenden Abfahrt.  Um wenigstens eine Chance auf den Anschluss  zu haben, liess ich die Isotankstelle links liegen und mit der Hilfe von ein paar Mitstreitern gelang der Zusammenschluss zur nun 18 köpfige Verfolgergruppe noch vor dem Flachstück in Samenden. Phasenweise bildete sich ein schöner belgischer Kreisel und das Auto der Rennleitung und die Motoräder sorgten für echte Rennstimmung. 6 Kilometer vor Zernez war dann klar, welche Fahrer bald die kleine Runde beenden würden. Ich ging die Attacken halbherzig mit der Idee mit, in Zernez als erster an der Labestation zu sein. Trotz einiger Sekunden Vorsprung verlor ich beim Bidonfüllen die Gruppe aus den Augen und bei Puls 180 musste ich das Loch im Flachstück zum Flüele zufahren. Kaum war der Puls unten begann die Steigung und wieder war ich irgendwo zwischen Spreu und Weizen. 

Im langen Anstieg verlor sowohl den Überblick als auch den Anschluss an die ganz schnellen Bergflöhe.  Es muss am Laktat gelegen haben, dass ich mir einbildete zwei sehr bekannte Luzerner Kuriere in Gegenrichtung fahren zu sehen… wart ihr wirlich da??  Die Abfahrt nahm ich dann  alleine in Angriff. Mit 50x11 war es eine Frage der Zeit bis ich von hinten aufgerollt wurde, aber dank einem sehr netten und starkem Mittschreiter  ging es gut voran.  Bis zum Fuss vom  Albula hatte sich wieder eine kleine Gruppe gebildet wobei er Füllstand meiner Trinkflaschen ähnlich wie die Energie in meine Beinen mehr und mehr abnahm. 
Klar war, dass ich die letzte Labestation vor dem Aufstieg aufsuchen musste und leider war damit auch die Gruppe weg. 


Nach etwa 1000 hm Aufstieg könnte ich nun schreiben, dass  ein aktiver Kurierfahrer aus St. Gallen an mir vorbei fuhr und und wir ein Schwätzchen hielten. In Wahrheit  wechselten wir 6 oder 7 nette Worte und er flog förmlich an mir vorbei. Ich war etwas demoralisiert und dachte, dass das jetzt eben der Unterschied zwischen Velokurier-Opa und knackigen Kurierbeinen sei.  Auf der Passhöhe  freute ich mich wie über Weihnachten und Geburi zusammen auf die Abfahrt, wobei sturmartige Böen schnelle Tempi  verhinderten. Zum Glück kam der Wind auf den letzten fast flachen  20 km dann von hinten und ich flog alleine, aber mit 50 Sachen Zernez entgegen . Auf der Höhe von Scoul kam dann ein ganz schneller Zug angerasst und ich wusste nicht, ob ich mich über eine schlechtere Platzierung  ärgern oder über einen schnelleren Schnitt freuen sollte. Ich beschloss positiv zu bleiben und im Schlussspurt konnte ich sogar einigermassen mithalten und konnte kaum glauben, dass ich nach 6 Stunden und 40 Minuten im Ziel war.  Herzliche Gratulation auch an den anderen IGWler. Leider blieb keine Zeit, um auf die super Zeiten anzustossen.



PS: Meine kurzzeitige schlechte Moral am Albula war übrigens wie verflogen, als ich nach dem Rennen erfuhr, dass es  auch eine Staffelwertung  gab. Dem Erfinder der Wortschöpfung "Velokurier-Opa" schlage ich also vor im nächstes Jahr den Engadin Radmarathon zu fahren. Gerne auch als Staffelteilnehmer. ;-)