Freitag, 1. Mai 2015

Paris Roubaix Challenge 2015


Seit einigen Tagen möchte ich diesen Blogeintrag verfassen aber es geht nicht! Mit verkrümmten Finger, welche von "Matsch-Muskeln" bewegt werden sollen, klappt dies unmöglich.
Doch nun nach zwei Wochen kann ich endlich meine Finger wieder schmerzfrei bewegen... Wie kam es dazu: Rückblende!

Im Jahr 2011 hatten Päsci und ich bereits den Drang dieses Rennen, diese Legende "Paris-Roubaix" besser kennen und schätzen zu lernen und nahmen an der ersten Austragung der Paris Roubaix Challenge teil. Dies war eine prägende Erfahrung, jedoch nicht ganz zufriedenstellend. Es waren bei weitem nicht alle legendären Kopfsteinpfasterabschnitte dabei und die Zieleinfahrt war gut 20km vor Roubaix entfernt. Und wie wir alle wissen leitet unser Radsportler-Hirn an Amnesie in allen Belangen der Schmerzen. (Ihr wisst ja: Was soll das! Nie mehr so etwas... Im Ziel voll geil, nächstes Jahr nochmals ).

Die Paris Roubaix Challenge hatte sich in den Jahren auch gut weiterentwickelt und versprach die Originalstrecke der Profis inklusive der Einfahrt ins Vélodrome in Roubaix! Cool dachten wir uns. Vermutlich entstand diese Idee während eines Bahntrainings in Grenchen unter akuter Sauerstoffschuld und deutlichem Laktat Überschuss. Auf jeden Fall stand der Plan und dieser wurde umgesetzt.


Am Freitag 10.04.2015 gegen Mittag habe ich Päsci Zuhause abgeholt und wir haben uns auf die sehr sehr lange Anfahrt nach Nordfrankreich gemacht. Die Fahrt war so lange, dass wir prompt noch austesten konnten wie lange man mit der Tank-Reserve des Autos noch fahren kann. So ca. 60km und viel Schweiss und Adrenalin...



Gegen 21h30 haben wir unsere Unterkunft, das Hôtel "Les Charmilles de Mormal in Landrecies erreicht.


Im Zimmer erwartete uns die erste Überraschung des Wochenendes. Es wurde uns ein "kuscheliges" 140cm-Doppelbett vorbereitet. Na, ja aber dies mit nur einer Decke... errr?!
Bei der Rezeption erkundigten wir uns ob es Alternativen gäbe, da wir ähhh wie soll ich das formulieren? Wir sind zwar Kumpels aber ähhh... nicht mehr als das. Wir möchten uns nicht eigentlich nicht soooooo nahe kommen. Darauf hin meinte der Chef, dass er auf keinen Fall die seine Gäste beurteilen wolle und man wisse ja nicht und so. HALLO!
Okay, okay! Eine zusätzlich Matraze wurde besorgt und auf den Boden platziert. Das muss genügen.

Am nächsten Morgen... REGEN! Nach über einer Woche schönem Wetter, regnet es ausgerechnet heute? Auch da meinte der Chef lapidar: Dieses Wetter gehört sich so im Norden. Eigentlich hat er ja recht. Die "Hölle des Nordens" ist ja keine Strandparty.

Kurze Anfahrt mit dem Auto bei strömendem Regen. Startnummerausgabe, Depot der Kleider für die Ankunft, alles wunderbar und stressfrei. Gut! Dann soll es losgehen... bei starkem Regen, yeah!


So fuhren wir bei Gewitterregen und gutem Gegenwind, aber mit viel Motivation los. Alles fühlte sich prima. Was ist schon an diesem Radfahren im Norden so hart? Nach wenigen Kilometern wurden wir ganz exakt darüber in Kenntnis gesetzt was so hart an diesem Anlass ist!
Nämlich nicht unsere Hände, nicht unsere Schultern oder Nacken und schon gar nicht unsere Är...e.
Oh nein! Ich hatte tatsächlich erfolgreich diese unglaubliche Härte vergessen/verdrängt und war nun mitten drin... Grosses Blatt drauf lassen, die beste Linie auf dem Gupf in der Mitte wählen und durchdrücken. Geht schon! Und falls eine Schnecke die Ideallinie verbaut, musst du halt noch mehr reintreten und über die noch schlechteren Steine überholen. Ja da gibts noch grosse Nuancen. Dazu noch später.



Päsci und ich fuhren ziemlich gut, da wir in den kommenden 5, 6 oder weiss Gott wieviel Kopfsteinpflasterabschnitte da kamen eigentlich immer Überholen mussten (hier erlaube ich mir bereits den ersten Hinweis zu den doch Unterschieden im besten Sinne von "bad or worst"). Aber die Fahrt war gut und wir erreichten noch unbeschadet die erste Verpflegung.


Dass die bösen Rüttelsteine einem bei solchem Wetter unbeschadet durchlassen, ist keine Selbstverständlichkeit...


Gestärkt von einigen Waffeln (Masse soll ja träger zu schütteln sein) ging die Fahrt weiter. Auch der Regen hatte ein Einsehen überliess uns dem Gegenwind den nassen Rütteldinger.

So nach etwas 10 solchen "Shake your Body" Intervallen machten sich bei mir die ersten Schmerzen bemerkbar. Und zwar in den Fingergelenken... ja, meine Finger schmerzten vom Radfahren!
Als Biker habe ich mir angeeignet im Gelände (Rennvelo... Gelände...?!) den Lenker nur locker zu umschliessen und so nicht zu verkrampfen. Was ist das Resultat? Hä?
Jeder einzelne Finger wird LOCKER in einer eigenen Ultraschallfrequenz in Schwingung gesetzt, so dass man sich Arthrose- oder Gichtpatienten sehr verbunden fühlt. Aua!


Hatte ich schon mein Allerwertesten erwähnt, welcher nebst dem Gerüttelt noch die Gesellschaft von viel viel viel Wasser (es hat wieder zu regnen begonnen) und Sand erhalten hat? So ging diese Lehrfahrt mit dem Kursus "Nasschleifen" weiter.


Ich möchte jetzt auf die "Nuancen" in der Steinebeschaffenheit tiefer eingehen:
Wir kannten schlecht, beschissen und nun... LA TROUÉE D'ARENBERG. Ich denke dieser Namen soll als Schimpfwort für Radfahrer in den Duden aufgenommen werden: "Fahr doch Arenberg!" WTF!
Nicht zu unrecht umwehen Legenden diesen Pavé-Abschnitt. Hier verlor Tom Boonen 2011 und 2012 das Rennen. Hier brach sich Johan Museeuw die Kniescheibe. Und genau hier verlor Päsci... Luft!
Also mussten wir den Kampf mit dem Untergrund (eigentlich sollte Schmierseife und Rütteln Schaum ergeben!?) unterbrechen und erst mal den Platten flicken.

Kann passieren und so konnten wir schnell wieder versuchen Schaum zu machen. Hört sich ziemlich harmlos an, ist es aber nicht. Um dies zu trainieren müsste man auf einem Presslufthammer sitzend ein Presslufthammer bedienen. Richtig richtig hart! Und die Theorie "einfach noch mehr drücken" klappt trotz grossem Willen nicht mehr.

Ist auch egal weil die Schmerzen in den Fingern die anderen Schmerzen eh überdecken. Um die Fingen zu entlasten, beginnt man nach und nach den Lenker immer stärker zu umklammern... bis zum Krampf. Ja, man kann Krämpfe in den Armen vom Radfahren haben!


Nach dem Wald von Arenberg habe ich mir vorgenommen, falls ich Fabian Cancellara antreffe, ihm mitzuteilen, dass er wohl einer an der Waffel hat!!! Oder nicht mehr alle Ritzel auf der Kassette hat...

Trotzdem setzten wir unser Fahrt fort bis... Platten Nr. 2! Zum Glück habe ich Päscis Rufe gehört: "Schlauch, Schlauch!" Aha Don Pascuale ist an den Start von Paris-Roubaix mit nur einem Schlauch gegangen! Da ich hingegen mit zwei Stücken los bin, konnte ich ohne schlechtes Gewissen ein Schlauch abgeben. So konnte die Panne schnell repariert werden.

Ca. 8 km weiter hörte ich wieder Päsci rufen, jedoch etwas anders: "Scheisse, F**k, verdammte*ç%&/()(/(=)?=%/&%())=?"... Platten Nr. 3! Als Päsci das Rennen aufgeben wollte und sein brandneues Felt Z4 beinahe in den Acker warf, hatte ich erbarmen. Hier mein, bzw. unser letzter Schlauch. Mit der Empfehlung meinerseits kein Platten mehr haben, sind wir dann weiter.

Um das Ambiente für letzten Pavé-Abschnitte noch passender zu gestalten. Hat es wieder wie aus Kübeln zu regnen begonnen, natürlich mit starkem Gegenwind. JETZT ging es mir an die Substanz. Innerlich ging ich sämtliche Schimpfworte die ich kannte durch und richtete sie abwechslungsweise den Kopfsteinpflaster, dem Regen, dem Wind, meine Schmirgelpo, usw. Eigentlich ist dies auch nur eine Methode nicht abzusteigen. So hielt ich bis zur nächster Legende, dem "Carrefour de l'Arbre" durch und sagte mir: "Von mir aus soll es noch schneien oder gar Dinosaurier auf der Strecke haben. Ich fahr das Ding durch, egal!" Na, ja fahren war schon, aber die geschmeidig ist anders. Ich denke, dass ein Taser-Angriff mich weniger zum Zucken und Ruckel gebracht hätte. Vielleicht wäre es auch erträglicher? Ich biss mich in diesem fünf Sterne Sektor durch und war schon ziemlich happy beim rausfahren. Mental hatte ich mir eingeredet, dass alles danach Kinderkram ist.


Und so war es auch. Noch 1 Abschnitt und die Durchfahrt von Roubaix und es war so weit: WIR FAHREN IN DEN VELODROME VON ROUBAIX EIN!!! Soooo ein geiles Gefühl!


Etwa 1 Meter nach der Ziellinie konnte ich die bescheidene Restspannung nicht mehr halten...


Bravo Päsci, bravo alle, sogar den gefühlten 3000 Engländer!


Danke meiner "Hell Bitch!" (jedes Rad braucht doch ein Kosname!)



Und jetzt hatten wir uns ein..ige Biere verdient. Oh, schmeck das Bier im Ziel so was von besser!
Auf jeden Fall folgte bald das nächste Highlight, da auch für uns Pöbel die heiligen Dusche des Velodromes geöffnet wurden.


Nach dem Duschen konnten wir uns wieder dem Auffüllen unserer Energiespeicher widmen und das ohne Stress! Mit so wenig Stress, dass wir den letzten Zug zurück zu unserem Hotel verpasst haben.

Mit den netten Leuten (nach einer Wartezeit von ca. 45min) der SNCF konnten wir zumindest eine Verbindung nach einem Kaff in der Nähe des Hotels finden. Wird schon schief gehen!

Also sind wir zu diesem Bahnhof gegangen, haben uns mit lokaler Kost eingedeckt und LOS!


Unterwegs haben wir bei unserem Hotel nach Hilfe gebeten und prompt: "Wir kommen euch gerne beim Bahnhof Kaff XY weit nach 22 Uhr abholen." Vielen Dank an dieser Stelle.

Im Hotel angekommen konnten wir sogar zwei wohl verdiente Einzelbetter beziehen...

Frank 16.11


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